Ž. Morkvėnas

Dzūkija. Menschen und Kultur

Im südöstlichen Teil Litauens befindet sich das historische und ethnokulturelle Land der Dzūkija. Seid dem 13. Jahrhundert trägt die Region den historischen Namen „Dainava“. Hier lebten einst die Nachfahren der Jatwinger – ein sehr alter baltischer Stamm, deren Spuren bis in die Suvalkija reichen. Es wird daher vermutet, dass das Territorium zu jener Zeit wesentlich größer war, als die heutige Dzūkija. Den Namen verdankt der Landstrich dem dzūkischen Dialekt, genauer gesagt, der unverwechselbaren Aussprache von „c“ als „dz“. Wenngleich für das ungeschulte Ohr kaum hörbar, so ist diese dialektische Besonderheit sehr archaisch und ein Erbgut der indoeuropäischen Ursprache.

Die Dzūken haben sich unglücklicherweise auf unfruchtbaren und sandigen Boden, inmitten der Wälder, niedergelassen. Doch aufgrund ihrer wilden Lebensweise bewiesen sie Einfallsreichtum bei der Herstellung von Nahrung. Es ist noch nicht all zu lange her, da war die Imkerei oder das Sammeln von Pilzen und Beeren, genauso wichtig für die Hauswirtschaft der Dzūken, wie die Arbeiten eines suwalkischen Landwirts. Die Liebe zur Natur ist besonders in traditionellen Webereien verewigt – farbenfrohe Blumen und Blätter sowie andere florale Elemente zieren Deckchen, Gardinen und Trachten.

Der einflussreichste litauische Maler und Komponist des 20. Jahrhunderts – Mikalojus Konstantinas Čiurlionis – stammt aus dieser Region. Auch er ließ sich von der Natur und den alten Märchen der Dzūken inspirieren. Obwohl er die litauische Sprache erst erlernen musste, trug er stark zur Bekanntheit Litauens in Westeuropa bei. Seine Werke, die heute in Kaunas besichtigt werden können, wurden bereits im Pariser Museum Louvre ausgestellt.

Die Dzūken sind nette, offenherzige und sehr sangesfreudige Menschen. Ihre Volkslieder sollen zu den klangvollsten und ihre Klagelieder zu den ergreifendsten gehören. Bis heute wohnen in den Dörfern alte Frauen, die zahlreiche Lieder, in allen Tonlagen singen können. Die hier lebenden Menschen sind der größte Schatz für ethnokulturelle Wissenschaftlicher, denn eben sie haben die meisten archaischen Bräuche bewahrt. Stumme Zeitzeugen sind die kleinen Wohnhäuser aus Holz, die verteilt in den kleinen Dörfchen, besichtigt werden können. Ein kleiner Tipp: Das Alter des Hauses lässt sich mit Blick auf den Fußboden erkennen. Sollte der Boden aus festgestampftem Lehm bestehen, wurde das Haus vor mehr als 200 Jahren erbaut.